Petit Dru-Solo Speed

Ein ganz grosses Projekt geht zu Ende…

  • Petit Dru (3733m) Nordwand,

  • Mont Blanc-Massiv,

  • Route: Allain-Leininger (31.7. – 1.8.1935)

  • Zeit: 1h 43min 35s

  • Wandhöhe: ca. 900m

  • Schwierigkeit: TD+ (max. 5c)

Ein ganz grosses Projekt geht zu Ende. Begonnen hat alles mit dem Rekord an der Eiger-Nordwand am 20. April 2011. Und jetzt, mehr als 10 Jahre später ist es mir gelungen, die sechste und letzte grosse Nordwand der Alpen allein und schnell zu klettern, die Petit Dru.

2020 war das Projekt «Petit Dru» an erster Stelle. Damals bin ich das erste Mal mit Michael Kräftner in 14 Stunden durch die Wand geklettert. Es war sehr anspruchsvoll. Zwei Mal bin ich komplett am falschen Ort geklettert, habe die Route einfach nicht gefunden! Das Gefühl, dass ich jemals diese Wand allein klettern kann, war sehr schlecht. Ich habe extra zusätzlich ein 60m-Seil mitgenommen, um auf dem Gipfel zu deponieren. Aufgrund meiner Zweifel, das jemals ohne Seil zu tun, habe ich beschlossen, dieses Seil direkt wieder nach unten zu nehmen. Das Projekt ist in weite Ferne gerückt. Es ist die Komplexität dieser Wand, welche anspruchsvoll ist. Sie besteht mehrheitlich aus Fels. Dieser ist aber an vielen Stellen mit Eis überzogen, was das Klettern sehr gefährlich und unberechenbar macht. Einfach zu warten, bis es warm genug und das Wasser nicht mehr gefroren ist, kann man auch nicht, denn ist es in dieser Wand zu warm, beginnt der Steinschlag. Oder eben ganze Felsstürze wie beispielsweise im Jahr 1997, als der ganze Bonattipfeiler zusammengebrochen ist, kommen vor.

Kaum unten war aber das Projekt wieder präsent. Ich war mir aber bewusst, dass ich genau auf den richtigen Moment warten musste, sonst war mir das Risiko zu hoch. Es brauchte Geduld. Im Herbst 2020 war ich dann wieder vor Ort. Einen Tag lang habe ich die Wand studiert und geschaut, ob Steine runterkommen. Es war ruhig. Die Nullgradgrenze war jedoch ziemlich hoch und irgendwie hatte ich nicht ein gutes Gefühl. Ich beschloss dann, es wieder zu verschieben.

Bereits im Juni 2021 war ich bereit. Ich wollte unbedingt den guten Zeitpunkt für einen Versuch nicht verpassen. Ich habe mich vorbereitet und bin einmal extra auf den Klausenpass zum Schlafen gefahren, damit ich dann gut akklimatisiert wäre. Das Wetter und die Verhältnisse waren aber sehr ungünstig. Erst im Juli sind Roger Schäli und ich einmal durch die Wand geklettert. Es war wieder sehr ernüchternd. Immer noch viel Schnee und Wassereis und vor allem haben wir jetzt gewusst, wo die Route genau ist und trotzdem hat es knapp 10 Stunden gedauert. Und wieder musste ich warten.

Der Sommer 2021 war sehr mühsam, für mich aber auch eine Chance. Vielleicht würde sich im August noch eine Möglichkeit ergeben, denn es war immer recht kalt. In einem durchschnittlichen Sommer ist der August viel zu warm und die Wand von der Petit Dru viel zu gefährlich.

Am 14. August bin ich mit Stefan Brugger nach Chamonix gereist. Es war endlich stabiles Wetter angesagt. Unser Ziel war, am ersten Tag zum Biwak hochzugehen und dann, wenn alles passt, am nächsten Tag durch die Wand zu klettern. Ich habe viel über die richtige Taktik nachgedacht. Mit Stefan habe ich dann abgemacht, dass ich es allenfalls allein versuche, sofern ich ein sehr gutes Gefühl habe und die Wand gute Verhältnisse aufweist. Eigentlich wollte ich noch einmal mit Seil

hochklettern. Einige Kletterstellen waren noch unklar, auf der anderen Seite war mir auch bewusst, wenn es eine gute Möglichkeit gibt, dass alles passt, muss ich meine Chance auch nutzen.

Stefan und ich haben gemütlich unter einem Stein das Biwak eingerichtet. Dann sind wir noch zusammen zum Einstieg hochgegangen und während der ganzen Zeit war es ruhig. Kein Stein ist aus dieser 900 Meter hohen Wand gefallen. Mein Gefühl war gut, ich entschied mich am Abend, es am nächsten Tag allein zu versuchen. Aufgrund der sehr schnell wechselnden Verhältnisse habe ich beschlossen, ein Seil, Klettergurt und Sicherungsmaterial mitzunehmen.

Wir hatten eine sehr angenehme Nacht unter unserem Stein. Am Morgen war ich sehr motiviert, aber auch sehr angespannt. Gedanken wie «Ist es eine gute Idee oder soll ich es lieber lassen?» kreisten in meinem Kopf herum.

Am Morgen, früh ist noch eine Kamera Crew mit dem Heli hochgeflogen, um filmisch dabei zu sein. Wir gingen zusammen zum Einstieg. Meine Augen und Ohren haben alles aufgenommen. Wäre irgendwo etwas runtergekommen oder hätte ich plötzlich an mir gezweifelt, würde ich nicht losklettern. Es blieb zum Glück ruhig. So bin ich dann genau um 8.46 Uhr eingestiegen.

Der erste Teil der Wand ist eher einfaches Gelände, technisch unschwierig, aber konditionell fordernd. Dann wurde es steiler und ich fühlte mich immer besser. Eine der unangenehmsten Stellen war ein nasser Kamin. Zuerst dachte ich, dass ich mit dem Rucksack dort hochkomme, aber das war chancenlos. So musste ich den Rucksack ausziehen, an einer Schlinge sichern und während des Kletterns immer vor mir hochschieben. Zwei Seillängen weiter folgte eine sehr unangenehme Verschneidung, welche auch fast immer nass und gefroren ist. Zum Glück habe ich bei der Begehung mit Roger dort eine andere Linie gefunden. Diese war jedoch viel exponierter und technisch schwieriger, aber wenigstens nicht nass oder gefroren! Nach dem grossen Eisfeld in der Mitte der Wand wurde es nochmals etwas steiler. Ich habe meinen Rhythmus gefunden, jedoch nie auf die Uhr geschaut. Die Zeit war mir in diesem Moment egal, mir war aber sehr bewusst, dass ich jetzt alles geben will. Unzählige Trainings und Vorbereitungstouren für genau diesen Moment! Mir war es nicht wichtig extrem schnell zu sein. Ich wollte aber unbedingt alles geben, ich wollte mir beweisen, dass ich das kann.

Der obere Teil hat die Crew dann noch aus dem Heli gefilmt. Und so war ich dann auch oben. Zuerst habe ich die Stoppuhr angehalten und dann einfach einmal versucht, ruhig zu atmen. Es war ein sehr schöner Moment, aber ich war erschöpft. Vor allem im Kopf. Dieses Projekt war sehr schwierig zu realisieren, es hat sich aber zu hundert Prozent gelohnt. Umso mehr Energie ich für etwas aufwenden muss, desto grösser ist dann auch die Befriedigung.

Auf dem Gipfel habe ich dann gleich Denise angerufen, sie war auch sehr erleichtert, dass alles gut gegangen ist. Auch Stefan und das Filmteam, welches unten auf der Hütte auf mich wartete, war froh, dass es so reibungslos geklappt hat.

Bei der Besteigung mit Roger habe ich wieder ein 60 Meter-Seil, zwei Expressen, eine Schlinge, zwei Meter Reepschnur und ein Messer am Gipfel deponiert. Das Material habe ich dann zusammengepackt und bin dann zur Grand Dru traversiert. Dann ging es weiter zur Abseilstelle, über welche ich dann auf den Gletscher und dann schlussendlich zur Hütte gelangt bin. Dort hat die Crew schon gewartet, wir haben noch ein Interview gemacht. Dann ist der Heli gekommen und hat sie ins Tal geflogen. Ich bin dann weiter abgestiegen und mit dem Zug von Montenvers nach Chamonix gefahren. Stefan und ich gingen dann gemütlich essen und auch eine grosse Flasche Wein fehlte nicht.

Erst einige Tag später realisierte ich, dass ich jetzt bei jeder der sechs grossen Nordwände der Alpen die schnellste Begehung gemacht habe, das macht mich auch etwas stolz. Vor über 10 Jahren hat dieses Kapitel mit der Eiger-Nordwand begonnen und jetzt mit der Petit Dru geendet. Ich könnte mir keinen schöneren Abschluss vorstellen. Ich möchte mich bei allen Menschen bedanken, welche mich in irgendeiner Form unterstützt haben, ohne sie wäre es nicht möglich gewesen. Danke.

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Expedition Baikal