Expedition Baikal

31. Januar bis 12. Februar 2020

Südsibirien-Irkutzk-Baikalsee-Olkohn Island

  • Echser Martin

  • Arnold Fredy (mein Vater)

  • Thomas Monsorno, Südtirol, Fotograf

  • Lukas Kusstatscher, Südtirol, Filmer

Ich weiss nicht, wie viele Expeditionen und Projekte ich schon gemacht habe. Ich schreibe das auch nicht auf, es interessiert mich auch nicht. Ich versuche immer das zu machen, wofür ich am meisten motiviert bin. Früher waren das eher die klassischen Bergsteigerorte wie Patagonien, Nepal und Alaska. Das waren immer sehr lohnende und lehrreiche Projekte. Ich war meistens nur an den Bergen interessiert, das Land und die Menschen waren mir nicht so wichtig. Klar, ich bin Athlet und möchte schwierige, neue, wilde und abenteuerliche Kletterrouten durchsteigen. Das ist der Hauptfokus, aber nicht nur. Mit der Zeit sind die verschiedenen Kulturen und Menschen ein sehr grosser Teil vom Ganzen geworden. Früher war eine grosse Stadt ein Horror. Jetzt gehe ich sie absichtlich anschauen. Ein Tag reicht dann aber vollkommen!

Die wirklich anspruchsvollen Projekte wie die Free Solos brauchen sehr viel Energie, nicht körperlich, sondern mental. Gerade auch deswegen ist es für mich wichtig, Projekte in Angriff zu nehmen, welche nicht ganz so ein grosses Risiko enthalten. Trotzdem sind sie nicht uninteressant oder unwichtig für mich. Diese Überlegungen führten uns 2019 nach Japan und dieses Jahr nach Sibirien. Eisklettern, Winter und Kälte habe ich sehr gerne, darum habe ich schon vor einigen Jahren überlegt, in Sibirien nach vertikalem Eis zu suchen. Damals haben wir es noch verschoben, jetzt war es soweit und es hat sich absolut gelohnt! 

Wir wollen in der kältesten Jahreszeit dort sein. Ende Januar war also perfekt. Es war sehr schwierig, hilfreiche Informationen zu finden. Da sicher nur ganz wenige Eiskletterer oder sogar keine schon mal da waren und weil Sibirien nicht gerade winzig ist. Bei der Abreise war alles noch unklar, wir wussten nicht, ob wir überhaupt einmal die Eisgeräte irgendwo einschlagen können. Aber da war auch die Hoffnung, denn es musste ja dort etwas geben. In einem Land, wo gerade mal drei Monate Sommer herrscht und die tiefsten Temperaturen der Welt gemessen werden. Wir versuchten unser Glück auf dem Baikalsee. Dort wussten wir zumindest, dass der ganze See mit einer dicken Eisschicht zugefroren war. Als ich zu Hause meinen Eltern sagte, wo mich mein nächstes Reiseziel hinführte, war mein Vater begeistert von der Idee. Ich sagte, er könnte doch mitkommen. Allerdings mit dem Wissen, dass er ganz sicher nicht mitkommen würde. Umso erstaunter war ich, als er es ernst meinte. Es ist nicht so, dass er sich nicht für meine Projekte interessieren würde, er ist einfach gerne zu Hause. Als Wildhüter ist er immer im Kanton Uri unterwegs und schaut, dass es unseren Wildtieren gut geht. Ein Flugzeug hat er auch noch nicht viele Male in seinem Leben betreten. Meine Freude war gross, dass er einmal mit uns mitkommt. Martin musste ich auch nicht lange überreden. Auch er war voll motiviert. Mit dabei waren noch zwei Südtiroler, Thomas und Lukas. Ihre Aufgabe war, das Ganze zu dokumentieren und zugleich für Mammut einige Produkt-aufnahmen zu machen. Wir alle zusammen waren ein super Team. 

Als bei der Landung die Ansage über die Temperatur von -30° Celsius vom Piloten ertönte, fragten wir uns das erste Mal, ob wir genügend warme Kleider dabei haben? Die Fahrt mit dem Luftkissenboot war für uns alle etwas Neues. Wir versuchten uns mit dem Fahrer zu unterhalten, das war aber fast unmöglich wegen der Sprache. Unsere Übersetzerin half uns da sehr. Diese Vehikel wurde mit einem grossen Propeller angetrieben und für Russland üblich sehr laut und nicht gerade benzinsparend. Ein Liter für einen Kilometer. Die ersten Schritte auf dem See oder besser gesagt auf dem klaren Eis werden uns lange in Erinnerung bleiben. Die vollkommen klare Schicht von ca. 40-80 cm Eis war schon solide. Trotzdem entfernten wir uns nur zögerlich von dem sicheren Boot. Das Wissen, dass wir uns auf dem tiefsten See der Erde befinden, war natürlich auch in unseren Köpfen präsent. Wir sind den ganzen Tag mit dem Luftkissenboot Richtung Norden gefahren, auf der Suche nach Eis. Leider ohne Erfolg. Immerhin konnten Martin und ich auf einen sehr schönen Felspfeiler hochklettern. Die Aussicht war grandios, wir konnten es aber nicht wirklich geniessen. Minus 35° Celsius und etwa 50 km/h Wind. Jeder Handgriff wird bei dieser Kälte mühsam und alles dauert viel länger. Wir waren dann auch völlig durchgefroren, als wir wieder unser Boot erreichten. Erst jetzt realisierten wir, wie wichtig diese Heizung auf dem Boot ist! Es war aber ein erlebnisreicher Tag und wir machten uns auf den Heimweg. Unsere Fahrt dauerte nicht all zu lange und es gab ein lauter Knall beim hinteren Antrieb. Eine Lenkstange war gebrochen und in den Propeller geraten! Das Flicken vor Ort war nicht möglich. So musste unser Fahrer zurück ans Land laufen und bei einer Hütte das Ganze reparieren. Die ganze Aktion dauerte dann ungefähr zweieinhalb Stunden. Wir hatten es uns aber gemütlich und windgeschützt im Innern des Bootes bequem gemacht und wir hatten ja die wichtige Heizung. Dann konnte es weitergehen. Es wurde Nacht und der starke Wind machte das Fahren anspruchsvoll. Es drehte uns unzählige Male im Kreis. Dann kam noch das, was kommen musste: Das Luftkissenboot stoppte und der Fahrer meinte: „Kein Benzin mehr!" Organisiert war es schnell per Funk, es dauerte aber schon recht lange bis ein anderer Fahrer mit Nachschub kam. Diese Wartezeit war jetzt dann ohne Heizung nicht mehr so gemütlich! Wir alle waren dann auch nicht wirklich unglücklich, dass wir wieder an Land waren.

Die nächste Zeit verbrachen wir auf Olkohn Island. Eine von rund 50 Inseln des Baikalsees. Dort fanden wir auch unsere Kletterrouten. Mit jedem Tag wurden die Routen länger und schwieriger. Insgesamt haben wir etwa zehn neue Linien geklettert. Von WI5 bis M8. Alle direkt über dem gefrorenen See. Durch die Kälte war das Eis pickelhart. Zum Klettern ging es noch recht gut, aber das Eindrehen einer Eisschraube war noch nirgends auf der Welt mühsamer! Ein Quietschen und eine enorme Reibung brauchte fast beide Hände! Und die Schraube war neu und scharf! Eines Abends, als wir nach dem Sonnenuntergang nach Hause fahren wollten, kam ein Fuchs gelaufen. Er hatte natürlich Hunger. Es war lässig, wie uns dieses Tier direkt aus der Hand gefressen hat. Wir konnten erahnen, wie hart es für die Tiere in Sibirien ist. Und wie sie sich angepasst haben und widerstandsfähig geworden sind. 

Mit der Zeit wurde uns der See vertrauter und wir gewöhnten uns an dieses ständige Knacken und Zischen. Beim Gedanken an seine Tiefe von 1640m wurde uns aber wieder sehr mulmig. 

Es war eine unglaublich schöne Zeit in Sibirien, viele nette Leute, ein wunderschönes, riesiges Land und eine tolle Destination, etwas Neues zu entdecken. Manchmal muss man etwas wagen, es lohnt sich fast immer. 

Ich möchte mich bei allen herzlich für die Unterstützung bedanken.

Lieber Gruss
Dani

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